Health Competence: Einige vertiefende Thesen

  • Gesundheit ist nicht nur gesellschaftlich und kulturell zu einem der obersten Werte mutiert. Gesundheit ist auch zu einer zentralen Rahmenbedingung unserer Existenz geworden.
  • Einerseits dadurch, dass der Mensch beginnt, den Wert von Gesundheit, Fitness und Wellness nicht nur bewusster zu reflektieren und auch die dafür notwendige individuelle Verantwortung (wieder) zu übernehmen.
  • Andererseits dadurch, dass man die Bedeutung einer ganzheitlichen Gesundheit auch für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft wie von Unternehmen im Rahmen einer globalisierten Welt erkennt. 
  • Denn Beeinträchtigungen etwa durch Stress und Burnout sind längst nicht allein ein individuell-persönliches Problem. Das Risiko aus den Symptomen und Auswirkungen von Stress und Burnout für Organisationen (Unternehmen wie Institutionen) ist zu gefährlich und erfolgskritisch, als dass man es allein im individuell-persönlichen Verantwortungsbereich belassen könnte. 
  • Immer mehr Organisationen erkennen die Bedeutung und den Wert von Gesundheit in einem ganzheitlichen Sinn im und für das Unternehmen  und beginnen zunehmend (Prophylaxe-) Maßnahmen zu setzen die weit über die gesetzlich vorgeschriebene arbeitsmedizinische Grundversorgung hinausgehen.
  • Dazu braucht es Wissen und Kompetenzen auf allen Ebenen. In der Gesundheitsarbeit in und mit Organisationen ist eine hohe Komplexität mit zu bedenken. Die Fokussierung allein auf die Gesundheit des Menschen ist zu wenig. Es braucht ergänzend dazu ein Verständnis von gesunden Beziehungs- und Teamdynamiken wie auch von Organisations- und Prozessdynamiken.
  • Nur in diesem ganzheitlichen Verständnis macht es Sinn sich mit "Gesundheitsarbeit" an Organisationen heranzuwagen. Alles andere ist Dilettantismus und stiftet mitunter mehr Schaden als Nutzen. Denn die Macht von Strukturen und Organisationsdynamiken auf den individuellen Menschen wird oft unterschätzt oder gar nicht erkannt.
  • In der Gesundheitsarbeit mit (Menschen in) Organisationen sollten jedenfalls folgende Ebenen mit bedacht werden:
    • der Mensch mit seinen Werten, Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten bzw. Mustern
    • die Werte, Strategien und Leitbilder der Organisation
    • die Führungs-, Hierarchie- und Machtkultur
    • die Kommunikations-, Interaktions-, Team-, Konflikt- und Kooperationsdynamik
    • die Organisationsstruktur und -kultur, z.B. Beschäftigungsstatus, (Un-)Sicherheiten, Ausgestaltung der Funktionen und Rollen, Freiheiten (Handlungsspielräume) und Einschränkungen usw. 
    • die konkreten Arbeits- und Geschäftsprozesse 
  • Auch wenn nicht immer an allen Ebenen gleichermaßen gearbeitet wird, so sind sie doch in ihrem Einfluss und in ihren (Aus-)Wirkungen als Kontext bedeutsam und müssen mit beachtet werden. 
  • Es bringt wenig, den Menschen z.B. allein über gesunde Ernährung und gezieltes Pausenmanagement aufzuklären, wenn die Organisationsbedingungen diese verunmöglichen. Oder jemandem Wirbelsäulenübungen zu lernen, dessen Rückenprobleme primär aus langjährigen Konflikten mit dem Chef oder der Hierarchie verursacht sind. Das allein ist zuwenig. 
  • Es braucht vorher oder begleitend die Arbeit an den "groben Brocken". Wenn diese aus dem Feld geräumt sind, kann mit der "Feinarbeit" wirksam begonnen werden. Es ist so wie in der Arbeit der Bauern: Erst muss das Feld (der Rahmen) urbar gemacht werden, Steine, Gestrüpp und Dornen entfernt, dann der Boden geackert und gepflügt werden und dann kann die Saat gelegt werden. 
  • So ist es auch in der organisationalen Gesundheitsarbeit: Erst müssen die Rahmenbedingungen betrachtet und gegebenenfalls korrigiert werden, dann der Unrat und die Dornen entfernt und in der Folge der Samen gesät werden. Jemandem, der sich ständig seine Seele an groben Dornen (Konflikten, Ängsten, Ärger, Frustrationen etc.) zerkratzt, über Achtsamkeit aufzuklären bringt erst dann etwas, wenn er zunächst lernt,  diese Dornen zu entfernen oder mit ihnen konstruktiv umzugehen.
  • Darum bringen auch die vielen gutgemeinten Ratschläge, Tipps und Rezepte meist wenig. Es braucht die (systemische und systematische) Auseinandersetzung mit den individuellen und situativen Gegebenheiten und das Erarbeiten von passungsgenauen Lösungen. Alles andere ist Oberflächlichkeit und selten nachhaltig wirksam.
  • Organisationale Gesundheitsarbeit ist Kunst und Handwerk zugleich. Die Kunst besteht darin, herauszufinden, wo(rin) die krankmachenden (pathogenen) Einflussgrößen liegen und wo die gesundheitsförderlichen (salutogenen) Faktoren. Besonders die zweite, lösungsorientierte Seite ist wesentlich.
  • Das Handwerk besteht darin, Strategien (Architekturen) und Maßnahmen (Performance) zu generieren, welche die pathogenen Einflüsse reduzieren und die salutogenen (re-)aktivieren und wirksam fördern. 
  • Das kann über Beratung, Coaching, Training, Teamentwicklung, Großgruppeninterventionen, Gesundheitszirkel, OE/PE-Maßnahmen etc. erfolgen. Meist braucht es Mischungen aus verschiedenen Methoden.