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Demografischer
Wandel:
Einige vertiefende Thesen
- Unsere Kultur stirbt, aber
wir
sterben nicht
mehr (so bald).
- Dieses sicherlich etwas
überzeichnete
Paradoxon macht uns zwei tiefgreifende - quasi gegensätzliche -,
Veränderungsdynamiken
(in) unserer Gesellschaft bewusst:
Einerseits
...
- Einerseits wird damit
der
gravierende
Schrumpfungsprozess der westlichen Bevölkerung angesprochen.
Allein
ein Deutschland bis zum Jahre 2050 um etwa 15 Millionen Menschen. Das
entspricht
der doppelten Einwohnerzahl Österreichs! Ohne Zuwanderung
wären
es sogar 23 Millionen.
- Der Untergang des
Abendlandes
wird also nicht
durch Zahlen und Ziffern erfolgen, wie es in einem philosophischen
Essay
heißt - obwohl auch das nicht so weit hergeholt wäre -,
sondern
durch die eigene Reproduktionsfaulheit des träge gewordenen
Abendländers.
In diesem Fall vor allem der Abendländerin.
- Seit dem sogenannten
"Pillenknick" der 1960er
Jahre ist die Reproduktionsrate um ein Drittel gesunken und zwar von
den
gesellschaftserhaltend notwendigen 2,1 Kinder pro Frau auf 1,3 Kinder.
Zum Vergleich: eine muslimische Migrantin bringt hingegen bei uns 2,4
Kinder
ans Licht der Welt.
- Manche Menschen, die "Kinder
statt Inder"
sagen, übersehen, dass diese 40jährige Lücke nicht mehr
kompensierbar ist, denn die Frauen, die nicht geboren wurden
können
auch nicht gebären. In diesem Fall ist die gesellschaftliche
Empfängnisfrist
abgelaufen.
- Man braucht nur mit offenen
Augen über
Spielplätze zu gehen oder einen Blick in Kindergärten und
Pflichtschulen
zu werfen um zu erkennen, dass bei uns ein neuer "Vielvölkerstaat"
entsteht. Oder man beobachtet den Wandel der Schilder über den
Geschäften
in den Straßen der Stadt: Wo gestern noch "Müllers
Kleider-Shop"
oder "Heidis Schmuck-Kästchen" drauf stand, prangt heute
"INDIEN-Shop",
ASIA-Shop" oder "Sevnic Phone Corner". In einer zentralen
Hauptstraße
in meiner Heimatstadt Linz tauschten auf diese Art innerhalb weniger
Jahre
mehr als ein Dutzend Geschäfte ihre Inhaber.
- In Deutschland und
Österreich beträgt
der Zuwanderer-Anteil in der Bevölkerung derzeit etwa 10 Prozent,
in manchen Städten bis zu 25 Prozent. In städtischen
Pflichtschulen
geht der Ausländeranteil bis zu 90 Prozent. In Österreich ist
der Ausländeranteil mit durchschnittlich 14,5 Prozent - d.h. jeder
siebte Einwohner - höher als in den USA. In Österreich wird
die
in den nächsten 5 Jahren erwartete Bevölkerungszunahme von 8
auf 9 Millionen Menschen in hohem Maße durch Neuzuwanderer aber
auch
durch Zuwanderer der 2. und 3. Generation getragen. Denn
Migrantenfamilien
haben etwa die doppelte Kinderanzahl wie die angestammten
Inländerfamilien.
Es wird angenommen, dass es weiterhin eine jährliche Zuwanderung
von
etwa 25.000 Menschen geben wird. Etwa 40 Prozent davon werden Moslems
sein.
- Es bringt vermutlich wenig,
diese Entwicklung
als gut oder schlecht zu beurteilen. Vielmehr geht es darum, ihr ins
Auge
zu schauen und zu lernen, damit auf konstruktive und integrative Art
und
Weise umzugehen. Denn wohin Ausgrenzung führt, das erleben wir in
jüngster Zeit nur allzu deutlich am Beispiel Frankreich.
- Ein zentrales Problem der
Integration ist
sicherlich, dass verschiedene Glaubens- und Wertewelten nur schwer
vereinbar
sind. Einer aktuellen Studie des Innenministeriums zufolge werden 45
Prozent
der in Österreich ansässigen Moslems als interationsunwillig
bzw. in mehr oder weniger großer Distanz zur
Mehrheitsgesellschaft
lebend eingestuft. Auch unter den Österreichern zeigen 40 Prozent
eine mehr oder weniger negative Einstellung gegenüber Moslems. Die
Kopftuch- und Schleierkonflikte in Schulen sind Ausdruck und Beispiel
dieser
Schwierigkeiten. Und wie soll multikulturelle Kompetenz in Unternehmen
funktionieren, wenn sie schon in Schulen nicht gelingt?
- Diese Wertewelten
können
sich im besten
Fall nur konstruktiv, wertschätzend, akzeptierend "berühren"
als dass sie zu einem neuen Wertesystem verschmelzen. Es ist aber schon
viel gelungen, wenn dieses "andocken" in einer toleranten und
konstruktiven
Art und Weise stattfindet. So dass das Eigene auch das Fremde annimmt
und
das Fremde sich dem Eigenen bis zu einem gewissen Maße
anpasst.
- Auch Amerika hat den Weg der
Integration zur
multikulturellen Gesellschaft geschafft. Jetzt ist eben Europa dran.
Diese
Aufgabe wird uns sicher eine Weile beschäftigen. Und wir
können
uns in diesem Zusammenhang auch bewusst machen, dass wir historisch
gesehen
ohnedies ein Mischvolk sind. Auch das ist eben ein Aspekt von
"Globalisierung".
Andererseits
...
- Andererseits werden
wir
nicht mehr
(so bald) sterben. Damit wird auf die rapide steigende Lebenserwartung
hingewiesen.
- Die Lebenserwartung steigt
und
steigt - sie
wächst jährlich um drei Monate! Bis 2030 wird sich der Anteil
der über 50jährigen verdoppeln, bis 2050 verdreifachen. Der
Anteil
der über 80jährigen wird sich bis 2030 verdreifachen bis 2050
versechsfachen. Hundertjährige werden zum Normalfall.
- Man bedenke, dass die
durchschnittliche Lebenserwartung
im Jahre 1870 bei etwa 37 Jahren lag, 1930 bei etwa 61 Jahren und heute
(2006) bei etwa 87 Jahren, d.h. das 2,4fache in nur rund 130 Jahren das
sind etwa 5 Generationen.
- Die mögliche
Lebensspanne
wird heute
mit etwa 125 Jahren angenommen. Es gibt aber keinen Hinweis, dass diese
Grenze eine absolute sein wird. Vielmehr ist es eine Frage der Lebens-
und Umweltbedingungen, d.h. der salutogenen
(gesundheitsfördernden)
Faktoren im Spannungsfeld zu den pathogenen (krankheitsfördernden)
Einflüssen.
- Die Themen, die sich um den
demografischen
Wandel ranken, sind wenig populär, insbesonders was den ersten
Teil
(den gesellschaftlichen Schrumpfungsprozess) anbelangt. Aber auch der
zweite
Teil (die alternde Gesellschaft) liegt nicht gerade im Trend des
Jugendkultes.
Es finden sich nur selten ein paar Zeilen in der Tagespresse. Der
kollektive
Verdrängungsmechanismus funktioniert hervorragend.
- Allenfalls das
Pensions(finanzierungs)thema
blitzt gelegentlich auf und erhitzt und polarisiert die Gemüter.
Dieses
Thema wird natürlich auch von Banken und Versicherungen aus
Geschäftsgründen
wach gehalten.
- Viel heikler hingegen sind
ethische Themen
wie z.B. die Grenze des Lebenserhaltes durch High-Tech-Apparaturen. So
gibt es bereits ernsthafte Vorschläge von Medizinern, bei
Bewohnern
von Seniorenheimen im Falle eines Herzstillstandes keine
Herz-Lungen-Wiederbelebung
mehr durchzuführen. Und zwar unter Hinweis auf den hohen Aufwand
und
die geringe Erfolgsrate. Das eingesparte Geld könnte sinnvoller
verwendet
werden, etwa für mehr Qualität in der Pflege ...
Die
Auswirkungen
...
- In den Auswirkungen
dieser drastischen
Demografie- Veränderung wird kein Stein auf dem anderen bleiben.
- So werden wir nicht nur die
Pensionsvorsorge
revolutionieren müssen, sondern auch die Finanzierung des gewaltig
ansteigenden Altenbetreuungs- und Pflegeaufwandes.
- Der demografische
Altenpflegequotient für
über 80jährige vervierfacht sich, der für
über
90jährige versechsfacht sich und jener für über
100jährige
verzehnfacht sich.
- Bei den Aktivitäten im
und
um das Feld
der "Altenarbeit" zeigt man gern einseitig auf die Kosten- und
Aufwandseite
und übersieht dabei gefließentlich, dass es sich dabei um
einen
riesigen, wachsenden Markt im Sinne geschlossener Güter-,
Dienstleistungs-
und Finanzströme handelt.
- Den alten Menschen, der im
Bedarfsfall Betreuung
oder Pflege bedarf, als (gesellschaftliche) Belastung und nicht als
Kunden
zu sehen, ist eine Diskriminierung. Schließlich hat der
Durchschnittsbürger
über viele Jahre das Solidarsystem (einer für alle - alle
für
einen) mit finanziert. Es ist nicht anders wie im
Versicherungsgeschäft.
Der eine zahlt 40 Jahre seine Prämien und es kommt nie zum
Ernstfall,
der andere zahlt nur kurz ein und schon tritt das Unglück ein.
Genauso
ist es für den Pflegefall - viele zahlen, einige trifft es. Ein
Versicherungsgeschäft
wie jedes andere auch. Es ist einzig eine Frage der Finanzierung und
Absicherung
dieses Geschäftes.
- Ob man von Waffenproduktion
oder
Videogames-Vertrieb
lebt oder von qualitativer Kranken- und Altenversorgung und wie man
diese
Geschäfts- und Einkommensfelder mit Bedeutung versieht, ist mehr
als
eine Frage des Geschmacks. Es ist eine Frage der Paradigmen und Werte,
und nicht zuletzt der Ethik, die wir der Gestaltung unserer
Gesellschaft
zugrunde legen.
- Auch wenn die
Finanzströme
im Bereich
der Altenarbeit zum Teil über staatliche Bahnen gelenkt werden, so
sind doch ganze Industrie-, Wirtschafts- und Dienstleistungszweige und
natürlich auch Haushalte in diesen Kreislauf eingeschlossen und
beziehen
ihr Ein- und Auskommen (mehr oder weniger gut/schlecht) daraus.
- Darüber hinaus
entstehen um
das Thema
"Alter(n)" herum neue Märkte und Geschäftsprozesse. Man denke
etwa an den "Fit-ins-Alter"-Markt (Active Aging), den
"Angst-vor-dem-Alter(n)"-
Markt (Anti-Aging), den Finanzmarkt (Altersvorsorge, Er-, Ab- und
Nicht-mehr-Leben-Versicherungen
etc.) und natürlich der Medizin- und Chemiemarkt (Krankheits- und
Leidenslinderung) und der Betreuungs- und Pflegemarkt sowie nicht
zuletzt
auch der Wohnungsmarkt (Stichwort "betreutes Wohnen").
- Auch die vitalen Senioren
werden
neue Formen
der aktiven Lebensgestaltung hervorbringen. Es werden sich sozusagen
Seniorenmärkte
bilden, in denen 70- und 80jährige ihre "Geschäfte" abwickeln
und nutzenstiftende Aktivitäten pflegen. Viele "mittelalterliche"
Menschen im klassischen Erwerbsleben bereiten sich bereits heute auf
"freie"
Aktivitäten nach Eintritt in den "Ruhestand" vor.
- Auch eigene
"Seniorenuniversitäten" gibt
es bereits. So zum Beispiel die von Altlandeshauptmann von
Oberösterreich
und Gründer des OÖ Seniorenbundes, Dr. Josef Ratzenböck
initiierte "Senioren-Uni", in der ein vielfältiges Spektrum
an "Studienfächern" angeboten wird, von der Ausbildung von
Tanzlehrern
über Computer- und Digitalkamerafachleuten bis zu Kunst-, Kultur-
und Reisethemen und natürlich aktive Gesundheits- und
Vitalitätspflege
sowie Kreativitäts- und Gehirn-Jogging. Und das alles ohne
Inskriptions-
und Prüfungsstress und ohne Zugangsbeschränkungen.
Weitere
Auswirkungen
...
- Durch den demografischen
Schrumpfungsprozess
werden viele Wirtschafts- und Industriezweige und manche Non-Profit-
und
Sozialeinrichtungen massiv an Personalknappheit leiden (und tun es
bereits).
- Ablaufdatum für die
Wirtschaft: 2010.
Von da an gehen die ersten Nachkriegsjahrgänge ("Babyboomer")
schubweise
in Pension. Die Arbeitsstätten werden leergefegt.
- Vielen Unternehmen ist das
Problem noch gar
nicht bewusst. Es ist erstaunlich, dass in vielen Bereichen des
Personalmanagements
offensichtlich noch wenig langfristig und strategisch gedacht wird.
Viele
Personalbüros scheinen auch eher im Alltagsgeschäft zu
ersticken,
als sich mit strategischen Szenarios und Lösungswegen zu
beschäftigen.
- Anhaltend hohe
Arbeitslosigkeit
ist nicht
sosehr ein ziffernmäßiges Problem, d.h. eine Frage
mangelnder
Arbeitsnachfrage, als viel mehr ein Passungsproblem. Für immer
komplexer
und anfordernder werdende Arbeitsplätze fehlt es an entsprechend
qualifiziertem
Personal (Fachkräfte).
- So fehlen etwa in der
qualifizierten Altenarbeit
(Pflege und Betreuung) österreichweit derzeit schon etwa 1.000
Fachkräfte.
Der Bedarf in diesem "Wachstumsmarkt" wird in den nächsten Jahren
noch gewaltig ansteigen.
- Unternehmen werden aufgrund
des
Mangels an
Fachkräften eine Erhöhung der Zuwanderungsquoten bei
Fachexperten
bzw. Facheliten fordern und wahrscheinlich auch verstärkt Formen
der
Migration erwirken.
- Neue Formen des
interkulturellen
Dialogs wie
auch des Generationendialogs werden notwendig.
- Im Zusammenhang mit diesen
Entwicklungen werden
insbesondere auch die staatlichen Ressorts Gesundheit, Familie,
Generationen,
Soziales und andere, alle Hände voll zu tun haben,
einigermaßen
regulierend wirken zu können. Soferne sie nicht hoffnungslos
überfordert
sein werden.
- Aus all dem ergeben sich
neue,
reichhaltige
Herausforderungen, deren Lösung unser zunehmend alterndes Gehirn
(hoffentlich)
aktiv und vital halten wird.
- Ein Ansatz wird jedenfalls
sein,
sorgfältiger
mit dem Erfahrungspotenzial älterer Menschen umzugehen. Noch in
den
1990er Jahren wurde viel Unternehmenspotenzial verschleudert durch
unbedachte
Kündigungen und Frühverrentungen. Man schätzt, das bei
einer
Streichung von fünf Prozent der Posten durch Verlust von
Erfahrungspotenzial
mindestens zehn Prozent der Leistung verloren gehen. In letzter Zeit
beginnt
man dahingehend bewusster zu werden, dass der Abbau von älteren
Mitarbeitern
nicht in jedem Fall der beste Weg ist.
- Ein Beispiel ist in diesem
Zusammenhang auch
die Bildung von "Senior Experts Pools". Dabei geht es darum, dass
erfahrene
"Senior Experts" im Rahmen von Netzwerken ihr Wissen und ihre Kompetenz
über Coaching, Mentoring, Controlling, Projekt- und
Qualitätsmanagement
bis hin zu Management auf Zeit, vor allem Klein- und Mittelunternehmen
zur Verfügung stellen.
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